Fiese Fragen können einen richtig kalt erwischen. So auch neulich bei einer Talkrunde zum Thema Gleichberechtigung: Eine junge Wissenschaftlerin kritisiert gerade, dass Frauen in Deutschland immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Sofort fällt ein anderer Teilnehmer ihr ins Wort: „Was meinen Sie denn damit? Wer zwingt denn diese Frauen dazu, schlechter bezahlte Berufe zu ergreifen?“
Wow! Ein verbaler Schlag in die Magengrube – die junge Frau auf dem Podium ringt nach Worten.
Fiese Fragen – ein Klassiker der schwarzen Rhetorik
Fiese Fragen wie diese stehen im Fokus unseres letzten Teils der Lilit-Serie zur Manipulation durch schwarze Rhetorik. Denn so wie ihr geht es vielen Rednern: „Und was soll das bringen?“ „Ist diese Strategie überhaupt zu Ende gedacht?“ oder einfach „Ja, aber warum?“ – Fragen als Waffe sollen uns verunsichern, aus dem Konzept bringen oder auch einfach nur Aufmerksamkeit heischen.
Die Frage ist ein Klassiker der Manipulation. Denn der gemeine Fragesteller stellt sie nicht, weil er etwas wissen möchte, sondern um seine Gesprächspartner in eine bestimmte Richtung zu drängen. Wer darauf eingeht, ohne die manipulative Intention zu erkennen, tappt dem Fragesteller in die Falle: Plötzlich zweifeln wir während einer Präsentation an unserem eigenen Wissen. Oder die Diskussion entgleitet uns und nimmt eine Richtung, die wir so nicht eingeplant hatten.
Auf welche Taktiken müssen wir uns also gefasst machen? Lernt die vier wichtigsten fiesen Fragen kennen und holt euch meine Strategien zum Gegensteuern:
1) Die Frage als Aussage
Im Meeting soll ein neues Konzept zur Kundenakquise vorgestellt werden. Plötzlich unterbricht ein Kollege: „Sollten wir nicht noch einmal die ursprünglich angedachte Vorgehensweise in Betracht ziehen? Der Kunde war ja auch schon davon überzeugt.“
Die Verneinung in der Frage weist darauf hin: Der Fragesteller hat schon eine Meinung dazu. Eigentlich sagt er: “Ich finde das ursprüngliche Vorgehen besser.“ Mit seiner Pseudo-Frage will er die Aufmerksamkeit der Zuhörer vom aktuellen Thema weg lenken und seine Präferenz ins Gespräch bringen. Hat er sich erfolgreich in den Vordergrund gedrängt, nutzt dieser fiese Frager meist noch die Gelegenheit, um sich selbst länger reden zu hören und stiehlt den anderen wertvolle Redezeit. Ein klassisches Ausspielen von Status.
Meine Gegenstrategie:
- Die Aussage enttarnen und direkt ausbremsen: „Wenn ich Sie richtig verstehe, präferieren Sie also das ursprüngliche Konzept“.
- Dann auf den vorgesehenen Raum für weiterführende Fragen oder Diskussion hinweisen: „Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie diese am Ende des Meetings stellen. Dann wird es auch noch Gelegenheit geben, die verschiedenen Standpunkte im Plenum zu diskutieren.“
2) Die Detailfrage
Bei einer Podiumsdiskussion zu einem neuen Verkehrsprojekt fällt die Frage: „Wie hoch genau wird das prognostizierte Verkehrsaufkommen sein? Und worauf stützen Sie Ihre Thesen?“.
Die Detailfrage geht bei einem Manipulationsversuch nicht aus dem echten Interesse des Fragestellers hervor. Sie dient vielmehr dazu, das Wissen des Redners auf die Probe zu stellen. Hat dieser spontan keine Antwort parat, wirkt er inkompetent, unehrlich oder (bestenfalls) schlecht vorbereitet. Der Fragesteller hingegen kann mit seinem eigenen Wissen glänzen, denn er kennt selbstverständlich die nachgefragten Zahlen, Daten und Fakten.
Meine Gegenstrategie:
- Ruhig bleiben! Der Redner ist der Souverän im Raum und entscheidet welche Fakten und Fragen gerade relevant sind. Erst die eigene Reaktion auf die Detailfrage gibt dem anderen die ersehnte Plattform. Darum gilt: Je nach Situation darf ein „Rumpelstilzchen“ auch einfach ignoriert werden.
- Die Frage hat richtig gesessen? Dann können wir sie nicht ignorieren. Denn sie kann ein Hinweis auf ein dahinter liegendes Problem oder versteckte Bedenken sein, die auch andere im Raum teilen. Wenn Sie diesen Hintergrund identifizieren und offen ansprechen, können Sie die Ursache der Bedenken angehen statt die Symptome zu bekämpfen: „Das Verkehrsaufkommen ist das eine. Aber eigentlich wollen Sie doch von mir wissen: Bin ich in der Lage diesen Auftrag professionell und qualitativ hochwertig ausführen? Dazu möchte ich Ihnen sagen…“
- Als letztes deeskalierendes Mittel bleibt natürlich auch eine ruhige Antwort auf der Sachebene: „Die relevanten Statistiken habe ich für Sie auf der letzen Seite meiner Präsentation zusammengefasst. Ich werde darauf am Ende genauer eingehen. Doch da sie es gerade ansprechen – lassen sie mich kurz darauf eingehen.“ – Das zeigt Kooperationsbereitschaft.
- Keine Lust auf Kooperation? Dann nutze die ‚Killerantwort‘: „Da muss ich erst einmal in Ruhe nachdenken“ oder gebe die Frage – gespickt mit einem Kompliment – doch einfach mal an den nächsten Experten weiter! „Vielen Dank für ihre wichtige Frage – das kann Frau Müller als Verkehrsdezernentin sicher viel besser beantworten!“
3) Die Frage als Angriff
Zwei junge Mitarbeiter stellen im Meeting ihre Idee für ein neues Projekt vor. Bevor sie richtig anfangen können, fragt ein Zuhörer spöttisch: „Wer hat denn diese Präsentation erstellt? Ist das ernst gemeint?“ Oder während des Vortrags fragt ein Kollege: „Was versuchen Sie uns da zu erklären? Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe. Können Sie das nochmal wiederholen?“
In diesen Fällen gilt: der Ton macht die Musik. Dadurch wird deutlich, dass der Fragesteller angreifen und sabotieren will. Um selbst besser dazustehen, macht er sein Gegenüber und dessen Ideen lächerlich. Er versucht noch nicht einmal, seine Feindseligkeit zu verbergen. Anstatt konstruktive Kritik zu äußern, verpackt der Angreifer die Provokation in Frageform und kann sich im Notfall darauf berufen, ja „nur“ eine Frage gestellt zu haben.
Meine Gegenstrategie
Es gibt drei Arten, mit dieser Art von fiesen Fragen umzugehen.
- Cool bleiben. „Ja, diese Präsentation und ihr Thema sind ernst und ich würde Sie bitten sich auch genauso ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Falls Sie Kritik äußern möchten, können Sie diese gerne am Ende meines Vortrags anbringen.“
- Auf die Meta-Ebene gehen und direkt die Provokation thematisieren: „Ich höre aus ihrer Frage eine ablehnende Haltung heraus. Möchten Sie erläutern, was es damit auf sich hat?“
- Zum Gegenangriff blasen: „Sie verstehen meine Ausführungen nicht? Das tut mir sehr leid. Ich bin mir sicher, dass sich später ein Kollege findet, der besser aufgepasst hat und Ihnen die offenen Fragen nochmal in ihrem Tempo erklären kann. Ansonsten würde ich Sie bitten, solche unsachlichen Kommentare für sich zu behalten.“
- Doch Vorsicht! Mit einem Gegenangriff lässt man sich auf das manipulative Niveau des anderen herab. Darauf folgt schnell ein längerer Schlagabtausch und die spätere Zusammenarbeit kann leiden. Er eignet sich jedoch, um Chauvis und Alphamännchen direkt in ihre Grenzen zu weisen, denn man lässt sich damit auf den klassischen Kampf um Status und Wichtigkeit ein.
4) Die Fangfrage
Es ist das Jahr 2009. Außenministerin Hillary Clinton sitzt in einer Anhörung, als ein Abgeordneter der Republikaner ihr folgende Frage stellt:
„Plant die Obama Regierung Pro-Life Gesetze und Pro-Life Maßnahmen in Afrika und Lateinamerika zu schwächen oder zu stoppen? (…) Und zweitens – nur damit wir vollkommene Klarheit haben – umfasst die US-Definition der Begriffe ‚reproduktive Gesundheitsversorgung‘, ‚Familienplanung‘ oder ‚reproduktive Rechte‘ Abtreibung?“
Ganz klar: Der Redner versucht ihr mit einer Fangfrage eine Falle zu stellen. Es geht ihm nicht wirklich um eine Klärung der Definition. Jedem im Raum ist klar was mit ‚reproductive rights‘ gemeint ist. Sein Ziel: Er möchte, dass Hillary Clinton sich vor der Kamera als Abtreibungsbefürworter outet. Solche Situationen drohen nicht nur Politikern – auch im Vorstellungsgespräch werden gerne Fangfragen angewandt. Sie sollen uns in die Ecke drängen und uns unter Druck Antworten entlocken, die wir nicht geben möchten.
Meine Gegenstrategie
Die Frage hat euch kalt erwischt? Dann spielt zunächst auf Zeit:
- Lasst den anderen die Frage noch einmal wiederholen, stellt Nachfragen oder bittet um eine Konkretisierung: „Wie meinen Sie das genau?“
- Lobt die Frage oder den Fragenden über den grünen Klee – eine Prise Ironie oder Humor kann je nach Situation dabei sein. „Herr Müller, das ist eine sehr clevere Frage, mit der Sie mich hier konfrontieren…!“
- Die Frage outen: Stellt klar, dass ihr verstanden habt, dass der andere gerade versucht euch zu manipulieren. Was offen ausgesprochen wurde verliert sein bedrohliches Potential.
- Nicht mitspielen: Eine manipulative Frage – zumal eine ja/nein-Frage – solltet ihr nie direkt beantworten. Nehmt euch Zeit, stellt den Kontext eurer Meinung dar, macht klar wo die Differenzen liegen – und wo nicht. So wie Hillary Clinton in unserem Beispiel.
Verunsichern, manipulieren, angreifen, austricksen – die schwarze Rhetorik begegnet uns immer wieder, im Berufsalltag wie im Privatleben. Mit meinen Lilit-Strategien seid ihr und die junge Dame auf dem Podium nun gut gegen fiese Fragen gewappnet. Und wenn mal wieder jemand versucht, euch in einer Diskussion mit gemeinen Tricks durcheinander zu bringen:
Ob Blender oder Provokateure, Namedropping oder Opferrolle – lest euch alle Teile unserer Reihe durch und schlagt den schwarzen Rhetorikern ein Schnippchen!
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